Damit die „Entfremdung“ eine unerträgliche Macht wird…


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Dass Marx „historisch wiederlegt“ sei, scheint den meisten Menschen keine Frage. Doch hoppla! Das Ende der menschlichen Vorgeschichte ist noch nicht erreicht.

Marx:

„Die soziale Macht, d.h. die vervielfachte Produktionskraft, die durch das in der Teilung der Arbeit bedingte Zusammenwirken der verschiedenen Individuen entsteht, erscheint diesen Individuen, weil das Zusammenwirken selbst nicht freiwillig, sondern naturwüchsig ist, nicht als ihre eigne, vereinte Macht, sondern als eine fremde, außer ihnen stehende Gewalt, von der sie nicht wissen woher und wohin, die sie also nicht mehr beherrschen können, die im Gegenteil nun eine eigentümliche, vom Wollen und Laufen der Menschen unabhängige, ja dies Wollen und Laufen erst dirigierende Reihenfolge von Phasen und Entwicklungsstufen durchläuft.

Diese »Entfremdung«, um den Philosophen verständlich zu bleiben, kann natürlich nur unter zwei praktischen Voraussetzungen aufgehoben werden.

Damit sie eine »unerträgliche« Macht werde, d.h. eine Macht, gegen die man revolutioniert, dazu gehört, daß sie die Masse der Menschheit als durchaus »Eigentumslos« erzeugt hat und zugleich im Widerspruch zu einer vorhandnen Welt des Reichtums und der Bildung, was beides eine große Steigerung der Produktivkraft, einen hohen Grad ihrer Entwicklung voraussetzt – und andrerseits ist diese Entwicklung der Produktivkräfte (womit zugleich schon die in weltgeschichtlichem, statt der in lokalem Dasein der Menschen vorhandne empirische Existenz gegeben ist) auch deswegen eine absolut notwendige praktische Voraussetzung, weil ohne sie nur der Mangel verallgemeinert, also mit der Notdurft auch der Streit um das Notwendige wieder beginnen und die ganze alte Scheiße sich herstellen müßte, weil ferner nur mit dieser universellen Entwicklung der Produktivkräfte ein universeller Verkehr der Menschen gesetzt ist, daher einerseits das Phänomen der »Eigentumslosen« Masse in Allen Völkern gleichzeitig erzeugt (allgemeine Konkurrenz), jedes derselben von den Umwälzungen der andern abhängig macht, und endlich weltgeschichtliche, empirisch universelle Individuen an die Stelle der lokalen gesetzt hat.

Ohne dies könnte

  1. der Kommunismus nur als eine Lokalität existieren,
  2. die Mächte des Verkehrs selbst hätten sich als universelle, drum unerträgliche Mächte nicht entwickeln können, sie wären heimisch-abergläubige »Umstände« geblieben, und
  3. würde jede Erweiterung des Verkehrs den lokalen Kommunismus aufheben.

Der Kommunismus ist empirisch nur als die Tat der herrschenden Völker »auf einmal« und gleichzeitig möglich, was die universelle Entwicklung der Produktivkraft und den mit ihm zusammenhängenden Weltverkehr voraussetzt.

Marx/Engels: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 34 – 35

11 Responses to Damit die „Entfremdung“ eine unerträgliche Macht wird…

  1. hhirschel sagt:

    Offenbar beginnt die Weltgesellschaft nun, sich – zunächst an einzelnen Stellen – zum marxschen Gedanken vorzuarbeiten, sich der Mittel und Wege des globalen Miteinanders als Weltgesellschaft zu bemächtigen. Jetzt hat dieser interessante Gedanke sogar das HANDELSBLATT okkupiert :-).

    Handelsblatt vom 14.10.11

    Das ist die erste globale Revolution

  2. hhirschel sagt:

    Wer nun gar nicht weiß, wohin mit Marx’ Perspektive der Ententfremdung, mag in meiner gliechnamigen Seminararbeit von 2010 nach Anhaltspunkten suchen.

    Zum Download als PDF HIER

  3. […] Damit die “Entfremdung” eine unerträgliche Macht wird… […]

  4. […] weites Feld! Ich nehme mal die in Marx/Engels: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 34 – 35 genannten Bedingungen der Möglichkeit “Entfremdung” zu […]

  5. […] Welt derzeit Mode ist, sollten die radikalen Kapitalismusgegener lieber auf einer quasi weltkommunistischen Perspektive nachhaltiger Entwicklung drängen: Weltweit sollen alle gut gut leben können ohne dass […]

  6. […] und Wirkungen des eigenen Tun und Lassens immer wieder auch als äußerst befreiend empfunden. “Entfremdung, um den Philosophen verständlich zu bleiben” (Marx) befreit von der Last, für alles und jedes gerade stehen zu müssen. Sie ermöglicht […]

  7. […] Marx/Engels: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 34 – 35 […]

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