Zu Althussers Kampf gegen sozialistischen Humanismus als Leitbegriff einer Theorie sozialer Emanzipation (2)

Alles, was wir schreiben, ist natürlich von unserer Unerfahrenheit und unserer Unwissenheit geprägt: man findet da Ungereimtheiten und Irrtümer.  Unsere Texte und Formulierungen sind provisorisch und für eine Berichtigung bestimmt.In der Philosophie  ist es wie in der Politik: ohne Kritik keine Berichtigung.

Louis Althusser im Interview in Für Marx,  S. 341

Im ersten Teil dieser Erörterung hatte ich folgendes bemerkt:

Wie sehr die Theorie der „Diktatur des Proletariats“ als eine (fragwürdige) IDEOLOGIE  funktioniert(e) zeigte sich nicht zuletzt daran, dass Althusser in „Für Marx“ das Selbstbild des Stalinismus als „Diktatur des Proletariats“ und die der Chruschtschow-Administration  als „Überwindung der Diktatur des Proletariats und im Übergang zum Kommunismus befindlich“ umstandslos für bare Münze nahm. Den Stalinismus nannte Althusser damals ein (verbrecherisches) „Überbauphänomen“ auf einem sozialistischen Fundament. Bei einem halbwegs wissenschaftlichen Herangehen müsste aber die Frage (gegebenenfalls neu) aufgeworfen werden, was denn damals die Realität dieses Übergangs ausmachte (und damit die Realität des Kommunismus, in die UdSSR Chruschtschows angeblich überging)

Einer der Gründe für diese aus heutiger Sicht recht seltsam anmutende Idealisierung der sowjetischen Wirklichkeit der 1960er Jahre scheint mir in Althussers damaliger Weigerung zu liegen, dem Begriff der „Entfremdung“ irgend einen Gebrauchswert für die „marxistische“ Theoriebildung zuzugestehen. Aber wie sollte die gehen, ohne systematisches Bemühungen um ein hinreichendes Verständnis der historischen Gestalt, Bedeutung und Notwendigkeit nichtkommunikativer, hinter den Rücken der Akteure ablaufender, nicht zwischenmenschlich vermittelter Verhältnisse zu den sozio-ökologischen Voraussetzungen und Wirkungen des eigenen Handelns? Und wann und wodurch diese „Entfremdung“ unerträglich und (kommunistisch?) zu überwinden ist – und tatsächlich auch (kommunistisch!) überwunden werden kann?

Althusser drückt weiter seinen Unmut darüber aus, dass…

… die Themen des sozialistischen Humanismus (freie Entwicklung des Individuums, Achtung des sozialistischen Rechts, Würde der Person etc.) (…) häufig, theoretisch behandelt werden, indem man Begriffe verwendet, die in die Jugendperiode von Marx gehören, in seine Philosophie des Menschen: die Begriffe, Entfremdung, Spaltung, Fetischismus, totaler Mensch etc.

 Althusser, Louis, Für Marx S.

So entgeht man allerdings der Frage, was von den historischen Versuchen einer sozialistischen Transformation in Sachen Überwindung von „Entfremdung“ erwartet und ob der Grad ihrer Überwindung bzw. Nichtüberwindung nicht als ein Fortschrittsindikator für die Entwicklung kommunistischer Bestimmungen der Produktionsbedinguneg, -zwecke usw. gesehen werden müsste. Eine Theorie, die Voraussetzungen und mögliche Gestalten und Ziele einer kommunistischen Transformation zu klären hat, müsste gerade im Hinblick auf die Sowjetunion der 1960er Jahre, Phänomene der Entfremdung zwischen Produktion, Konsum, Natur, Wissenschaft, Medien und Politik untersuchen und die Hemmnisse der kommunistischen Aufhebung von „Entfremdung“ zwischen diesen Sphären herausarbeiten. Oder ist es für „marxistische“ Theoriebildung von vorn herein keine Frage, ob die SU der 1960er Jahre tatsächlich gerade die Diktatur des Proletariats überwunden und nun begonnen habe, den Kommunismus aufzubauen? Ersetzt nicht ein Glaubensbekenntnis die wissenschaftliche Neugierde, wenn jeglicher Begriff von Entfremdung für unwissenschaftlich, prämarxistisch und für die kommunistische Theoriebildung untauglich erklärt wird?

Althusser bedauert, dass …

… der Begriff, mit dem die Kommunisten ein bedeutendes Kapitel der UdSSR und der Arbeiterbewegung bezeichnen – der des Personenkults – ein gänzlich „unauffindbarer“, gar nicht in die marxsche Theorie einzuordnender Begriff ist.

Der Begriff Personenkult, so Althusser weiter, möge zwar …

… einen Stil des Verhaltens beschreiben und verurteilen und somit einen doppelten praktischem Wert besitzen, aber meines Wissens war Marx niemals der Auffassung,  dass der Stil eines politischen Verhaltens direkt auf eine historische Kategorie bezogen werden kann, das heißt auf einen Begriff der Theorie des historischen Materialismus: denn dieses Wort bezeichnet zwar eine Wirklichkeit, aber es ist keineswegs ihr Begriff. Jedoch betrifft alles, was über den „Personenkult“ gesagt wird, eben genau den Bereich des Überbaus, also der Organisation des Staates und der Ideologien. Es betrifft darüber hinaus, grob gesprochen, diesen einzigen Bereich, von dem wir aus der marxistischen Theorie wissen, dass er eine „relative Autonomie“ besitzt (woraus sich ganz einfach theoretisch erklärt, dass sich die sozialistische Basis im Wesentlichen ohne Schaden hat entwickeln können – auch während dieser Periode von Irrtümern, die den Überbau betrafen). Warum werden nicht die bekannten und anerkannten marxistischen Begriffe herangezogen, um dieses Phänomen zu verorten, das tatsächlich als Verhaltensweise beschrieben wird und dabei auf die „Psychologie“ eines Mannes bezogen wird, das heißt, einfach nur beschrieben, aber nicht durchdacht wird?

Althusser, Für Marx S. 308

Dies wirft die Frage nach einer guten Theorie der Entfremdung marxistischer Philosophen vom Gegenstand ihres Interesses auf. Denn was hier als „Wissen“ über Marx angeblicher Behauptung einer überhistorisch existierenden „relativen Autonomie des Bereichs des Überbaus“ von der ökonomischen Grundlage einer jeden Gesellschaftsformation vorgestellt ist, basiert tatsächlich auf ein grandioses Missverständnis.

Nach Marx ist die relative Autonomie der staatlichen bzw. öffentlichen Sphären (Gesetzgebung und deren parlamentarische Kontrolle,  Rechtspflege, Bildung etc.) gegenüber dem Treiben privateigentümlich aufgestellter Wirtschaftssubjekte das spezifische (!) Merkmal kapitalistisch (!) formierter Gesellschaften.

Die relative Trennung von Wirtschaft und Staat ist Funktions- bzw. Entwicklungsbedingung der sich auf Grundlage privateigentümlicher Produktion und Aneignung von Waren formierenden Gesellschaft. Das kapitalistische Wirtschaften benötigt Legalität, das heißt verlässliche und prinzipiell von allen anerkennbare Regeln, die ökonomische Vernunft und  Anpassungen an ständig neue Bedingungen ökonomischer Vernunft erlauben. Stünden für diese Aufgaben keine staatlichen Instanzen bereit, die aus dem privaten Wirtschaftsgeschehen weitgehend heraus gelöst sind, und hätten diese nicht das alleinige Recht, nach mehr oder minder allgemein akzeptierten Regeln Gewalt auszuüben, müssten sich die gegensätzlichen Privatinteressen in einem blutigen Dauerkrieg verzehren. Sie wären zu nicht enden wollenden Versuchen genötigt, sich gegenseitig zu täuschen etc.

Auf feudalistischen Großgrundbesitz aufbauende Gesellschaftsformationen kamen noch weitgehend ohne diese Trennung aus. Die „von Gottes Gnaden“ hochwohlgeborenen Potentaten besaßen das Land und das Recht, ihre dort lebenden Untertanen zu Fronarbeit zu nötigen. Sie setzten eigenes Landrecht und wussten es zugunsten ihrer höchstpersönlich eigenen Wirtschaftsinteressen zu nutzen. Zunächst schützten und erweiterten Privatarmeen den eigenen Herrschaftsbereich und dienten zugleich der Disziplinierung der Untertanen. Übergeordnete Allianzen, Kompromisse oder das Unter-Schutz-Stellung unter höhere Instanzen von Königen und Kaisern bauten letztlich auf diese Grundlage auf. [Dies muss später noch vertieft werden]

Bekanntlich gehorcht die historische Entwicklung aber nicht unbedingt den logischen Anforderungen der sich neu etablierenden Klassen. Schließlich hatten sich die modernen Staaten nicht aus freier Stadtluft innerhalb eines ansonsten leeren Raums heraus entwickelt. Sie beerbten auch die feudalistischen Staatsgebilde der Landbesitzer-Stände. Preußens Deutschland war nach Marx …

… nichts andres als ein mit parlamentarischen Formen verbrämter, mit feudalem Beisatz vermischter und zugleich schon von der Bourgeoisie beeinflußter, bürokratisch gezimmerter, polizeilich gehüteter Militärdespotismus …

Marx: Kritik des Gothaer Programms, MEW Bd. 19, S. 29

Den geerbten Autoritarismus dieser Staatsgebilde wussten die sich allmählich zur herrschenden Klasse formierenden Fabrikherren und Kaufleute durchaus zu schätzen bzw. für die eigenen Klasseninteressen zu nutzen. Geschichtlich verliefen Aufbau und Verlust der die bürgerliche Gesellschaft zivilisierenden Funktion moderner Staaten (von Philosophen einst als „die Vernunft“ an und für sich vorgestellt) ausgesprochen widersprüchlich. Im Kolonialismus und teilweise auch im nach-kolonialen Imperialismus der ökonomisch und militärisch fortgeschrittenen Nationen entfalteten sich imperiale Landbesitz- und Kapitalinteressen (Rohstoffimport), die die nackte Repression als ökonomische Potenz nutzen. In der Entwicklung wirtschaftlicher Konkurrenzfähigkeit hinterher hinkende Nationen formierten Entwicklungsdiktaturen. (Das Deutsche Reich unter Bismarck, die asiatischen „Tigerstaaten“, aber auch China und zwischendurch nicht zuletzt auch die Sowjetunion) Der deutsche Nazifaschismus offenbarte, zu welcher – anti-liberalen – Brutalität die Kehrseiten der nationalstaatlichen Zivilisierung privater Aneignungsbedürfnisse ausarten können. (Wie im Hitlerfaschismus Wirtschaftsinteressen, und Staats- und Parteifunktionen, Wissenschaft und Rassenideologie zusammenwirkten, wird an anderer Stelle genauer ergründet und erörtert werden)

Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts klingt Marx Einwand gegen den im Gothaer Gründungsprogramm der deutschen Sozialdemokratie formulierten Begehren nach „freier Volkserziehung durch den Staat“ deshalb durchaus erfrischend.

Ganz verwerflich ist eine »Volkserziehung durch den Staat«. Durch ein allgemeines Gesetz die Mittel der Volksschulen bestimmen, die Qualifizierung des Lehrerpersonals, die Unterrichtszweige etc., und, wie es in den Vereinigten Staaten geschieht, durch Staatsinspektoren die Erfüllung dieser gesetzlichen Vorschriften überwachen, ist etwas ganz andres, als den Staat zum Volkserzieher zu ernennen! Vielmehr sind Regierung und Kirche gleichmäßig von jedem Einfluß auf die Schule auszuschließen. Im preußisch-deutschen Reich nun gar (und man helfe sich nicht mit der faulen Ausflucht, daß man von einem »Zukunftsstaat« spricht; wir haben gesehn, welche Bewandtnis es damit hat) bedarf umgekehrt der Staat einer sehr rauhen Erziehung durch das Volk.

ebd. S. 30-31

Die modernen Staaten mussten erst und müssen bis heute immer wieder selbst in dem Sinne zivilisiert werden, bis sie imstande waren, ihre zivilisierende Funktion für das privateigentümlich strukturierten Für-, Mit- und Gegeneinanders nicht mehr bevorzugt mit repressiven Mitteln zu erfüllten. Nicht nur Gewerkschaften und Sozialdemokratie sondern z.B. auch die Privatinteressen gehorchende und verteidigende freie Presse und später die öffentliche Güter, soziale bzw. ökologische Standards verteidigenden bzw. einfordernden Bürgerinitiativen und Nicht-Regierungs-Organisationen hatten und haben bis heute immer wieder ihre Mühe, dem ererbten und  von „der Wirtschaft“ nicht selten auch gern genutzten Obrigkeitsstaat demokratische Modernität einzubläuen.

Reaktionärer Mischmasch statt Kommunismus

Und die Sowjetunion? Lenin selbst gestand am Ende seines Lebens ein, dass seine Partei den Staatsapparat des auf feudalistische Ausbeutung basierenden Zarenreiches nur übernommen und mit „ein wenig mit Sowjetöl gesalbt“ hätten (ein Staatsapparat zudem, den Lenin in seinem „politischen Testament“ außerdem ein „Völkergefängnis“ für die nichtrussischen Völker nannte). Die Vorstellung, dass ein solcher Staatsapparat einer „sich im Wesentlichen ohne Schaden hat entwickeln“ könnenden „sozialistischen Basis“ als „relativ autonomer Überbau“ dienlich sein könnte, kann unmöglich Ergebnis einer tatsächlich wissenschaftlichen Untersuchung der bis dahin etwas über 40 Jahre sowjetischen Produktionsverhältnisse und der diese regulierenden Rechts- bzw. Disziplinierungs- oder Bildungsformen bzw. -praxen usw. gewesen sein.

Heute würde das höchstens als – recht schiefe – Hypothese durchgehen können. Das gilt ebenso für den Glauben, das millionenfach Menschenmaterial fressende Terrorregimes Stalins von suggestiver Wissenschaftsrhetorik Gnaden, (das Arbeitern nicht einmal eine eigenständige Interessenvertretung zugestand), sei die „Diktatur des Proletariats“ der Marxschen Perspektive einer anfänglich noch durch Staatsmacht unterstützten Selbstbefreiung aus dem Zwang, die eigene Arbeitskraft an Sachverwalter fremder interessen zu vermieten.

Tatsächlich sah sich die Staatsmacht der weitgehend auf Landwirtschaft gründenden UdSSR genötigt, „Lohnsklaverei“ überhaupt erst zur  Basis des gesellschaftlichen Für- und Voneinanders zu machen,  d.h. die von der Nationalökonomie des 19. Jahrhunderts einst als ursprüngliche Akkumulation verklärte Trennung der im eigenen Körper (einschließlich des eigenen Kopfes) gebildeten Klasse Produktivkräfte von den – meist landwirtschaftlichen – Produktionsmitteln zu erzwingen.

Das war auch bei der Entwicklung des „klassischen“ Kapitalismus niemals ein idyllischer Prozess, verlief  aber kaum sonstwo so brutal und im tatsächlich pathologischen Sinne irre. Dass die Produktionsmittel Staatsbesitz waren, von Funktionären der „kommunistischen“ Staatspartei geleitet und einer staatseigentümlichen Planung unterworfen, hatte die Entfremdung von den gesellschaftlichen bzw. ökologischen Voraussetzungen und Wirkungen des produktiven Tun und Lassens, d.h. zwischen Produktion, Konsum, Wissenschaft, Regulation Philosophie, öffentliche Kommunikation usw. nicht abgebaut sondern noch auf die Spitze getrieben. An der Entwicklung und Verallgemeinerung des Vermögens, an gesamtgesellschaftliche Meinungs- und Entscheidungsbildungsprozessen hinsichtlich der Produktionsziele oder -methoden war nicht zu denken.

Die Idee, dass die bürgerliche Trennung von Produktion, Gesetzgebung, Rechtsprechung und -pflege, Philosophie, Wissenschaft, Bildung usw. per „Diktatur des Proletariats“ kommunistisch aufzuheben wäre, und damit das abstrakte Recht per gerechter Willkür einer selbst ernannten Menschheitsavantgarde absterben würde (wie letztlich auch die Demokratie abstirbt, die Unterdrückung von Minderheiten durch die Mehrheit bedeutete), wenn sich alle von Vornherein auf gemeinsame Ziele einigen, kurz diese „Idee des Kommunismus“ verband sich unwillkürlich mit dem Auroritarismus der „ein wenig mit Sowjetöl gesalbten“ großrussisch-chauvinistischen Zarenbürokratie und der nach dem Topdown-Prinzip organisierten Einheitspartei. Die biss die konkurrierende Parteien bzw. autonome Interessenvertretungen weg, militarisierte sich und seine Vorstellungswelt im Bürgerkrieg und löste Probleme mit dem Überschuss an freigesetzter Arbeitskraft, die nicht schnell genug in die neuen Lohnarbeitsverhältnisse integrierbar sind, (wie sie jeder Industrialisierung eigenen war und ist)  mit millionenfacher Versklavung und Massenmord. „Kommunismus“ konnte fortan mit all den reaktionären Erscheinungen dieser Entwicklungs- bzw. Erziehungsdiktatur identifiziert werden.

Die Rückkehr zur Personalherrschaft nicht als die von Marx projektierte freie Assoziationen freier Menschen (zur Verfolgung gemeinsam erarbeiteter Ziele) sondern in der Gestalt des roten Väterchen Stalins Schreckensherrschaft kann kein Zufallsprodukt des „relativ autonomen (staatlichen) Überbaus“ sein, der dennoch auf Basis einer sozialistischen Ökonomie handle, die sich trotz aller überbaulicher  „Fehler“ und „Irrtümer“  fröhlich als eine solche weiter entwickelt, d.h. weiter (welt-) kommunistische (Re-) Produktionsverhältnisse vorbereitete..

Hier offenbart sich womöglich ein sehr grundlegendes Missverständnis der „Basis-Überbau“ Metapher. Die wäre entschieden zu kurz begriffen, würde Marx die Vorstellung unterstellt, dass es in allen historischen Gesellschaftszuständen eine vom Rest der Gesellschaft relativ abgekapselte Ökonomie gäbe, die als ein kollektives (wenn auch ungerecht zusammengesetztes) Subjekt die eigentümlichen Subjekte und Institutionen des „Überbaus“ (des Rechts, der Ideologie, der Gesetzgebung, Kultur usw.) determiniere – lediglich mit der Einschränkung versehen, dass Phänomene des „Überbaus“ immer auch von vielen Faktoren mitbestimmt (in Althussers manchmal etwas rätselhaften Terminologie „überdeterminiert“) seien.

Es gilt aber zu verstehen, dass in einer bestimmten historischen Etappe der menschlichen (Vor-) Geschichte mit ihren technologisch oder geistigen spezifisch beschränkten Möglichkeiten, sich bestimmte Institutionen, Ideen, Gewohnheiten usw. etablieren, die geeignet sind, die historisch vorherrschenden Formen zu sichern, in denen die historisch verfügbaren Mittel der menschlichen Existenzsicherung und Bereicherung produktiv interagieren können. Dass also die historischen Mittel der Formierung des ökonomischen Geschehens selbst spezifische Formen (!) annehmen. die es ihnen ermöglicht, diese Funktionen auszufüllen.

In einer Waren produzierenden Gesellschaft entwickeln sich Freiheit, Gleichheit, Geldverkehr und ein dazu passender Humanismus, der von den realen Behauptungszusammenhängen, Rechtferigungsbeziehungen und -vermögen usw. der Individuen und erst recht  deren Veränderungsbedarf bzw. -möglichkeiten absieht. Ein sozialistischer Humanismus müsste Entwicklungsbedarf und -möglichkeiten tatsächlich gemeinsamer – am Ende weltgemeinschaftlicher – Zielsetzungen auf Grundlage eines tatsächlich gemeinsamen, am Ende weltgemeinschaftlichen, Ressourcenmanagement ideell vorweg nehmen ohne das Noch- Nicht-Bestehen dieser Möglichkeit zu leugnen.

Das ist übrigens nicht deshalb ein „unmarxistischer“  Gedanke, weil Marx den Begriff des „weltgemeinschaftlichen Ressourcenmanagement“ (und schon gar nicht den eines weltgemeinschaftlichen Nachhaltigkeitsmanagements, der den (welt-) kommunistischen Gehalt dieses Gedanken noch präziser erschließen ließe) noch nicht im Repertoire hatte.

Ginge es danach, bliebe in Bezug auf die historischen Sozialismusversuche des vergangenen Jahrhunderts als eine das richtige Fragen und Forschen induzierende Kategorie womöglich nur das berühmte „S“-Wort aus der Deutschen Ideologie.

Diese »Entfremdung«, um den Philosophen verständlich zu bleiben, kann natürlich nur unter zwei praktischen Voraussetzungen aufgehoben werden. Damit sie eine »unerträgliche« Macht werde, d.h. eine Macht, gegen die man revolutioniert, dazu gehört, daß sie die Masse der Menschheit als durchaus »Eigentumslos« erzeugt hat und zugleich im Widerspruch zu einer vorhandnen Welt des Reichtums und der Bildung, was beides eine große Steigerung der Produktivkraft, einen hohen Grad ihrer Entwicklung voraussetzt – und andrerseits ist diese Entwicklung der Produktivkräfte (womit zugleich schon die in weltgeschichtlichem, statt der in lokalem Dasein der Menschen vorhandne empirische Existenz gegeben ist) auch deswegen eine absolut notwendige praktische Voraussetzung, weil ohne sie nur der Mangel verallgemeinert, also mit der Notdurft auch der Streit um das Notwendige wieder beginnen und die ganze alte Scheiße sich herstellen müßte, weil ferner nur mit dieser universellen Entwicklung der Produktivkräfte ein universeller Verkehr der Menschen gesetzt ist, daher einerseits das Phänomen der »Eigentumslosen« Masse in allen Völkern gleichzeitig erzeugt (allgemeine Konkurrenz), jedes derselben von den Umwälzungen der andern abhängig macht, und endlich weltgeschichtliche, empirisch universelle Individuen an die Stelle der lokalen gesetzt hat. Ohne dies könnte

1. der Kommunismus nur als eine Lokalität existieren,

2. die Mächte des Verkehrs selbst hätten sich als universelle, drum unerträgliche Mächte nicht entwickeln können, sie wären heimisch-abergläubige »Umstände« geblieben, und

3. würde jede Erweiterung des Verkehrs den lokalen Kommunismus aufheben. Der Kommunismus ist empirisch nur als die Tat der herrschenden Völker »auf einmal« und gleichzeitig möglich, was die universelle Entwicklung der Produktivkraft und den mit ihm zusammenhängenden Weltverkehr voraussetzt.

Marx/Engels: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 34-35

In der Perspektive eines (öko-) humanistischen Kommunismus bzw. (öko-) kommunistischen Humanismus bzw. einer Theorie seiner Notwendigkeit, Möglichkeit und möglichen Gestalt ist von großen Interesse, dem düsteren Bild der sowjetischen „S….“ möglicherweise entgegen stehende Ansätze bzw. tatsächlichen Entwicklungen zusammen zu tragen und auf der Basis einigermaßen gesicherter Informationen die – wie wir wissen, letztlich verpassten – Chancen auf eine sozialistische Entwicklung zu erörtern, die nachvollziehbar eine Periode des Übergangs in Richtung Verallgemeinerung der Fähigkeit zur (welt-) gemeinschaftlichen Steuerung der Produktion (der Produktionszwecke, -methoden, -wirkungen, -voraussetzungen, -orte etc) charakterisierten. Das gilt natürlich insbesondere für die Ereignisse während der Chruschtschow Ära, des Prager Frühlings oder der Perestroika/Glasnost Periode unter Gorbatschow.

Althussers Idee, dass Begriffe wie Entfremdung, sozialistischer Humanismus, Produktivkräfte oder Produktionsverhältnisse mit eigenem Geist beseelte Subjekte seien, die unabhängig von deren historische oder sonstwie nähere Bestimmung und Verwendung in wissenschaftliche und unwissenschaftliche und damit ideologische Begriffe einteilbar wären, blockiert aber eher die wissenschaftliche Neugierde auf die historischen Rationalitätsbedingungen, Interpretationen und Funktionen der Begriffe, und was diese möglicherweise verändern könnte. Eine Theorie der kommunistischen Transformation müsste nach den historischen Notwendigkeiten, Möglichkeiten  und Gestalten der Entfremdung von den sozialen bzw. natürlichen (ökosystemischen) Voraussetzungen und Wirkungen des menschlichen Wechselwirkens fragen und unter welchen Bedingungen und wie eine zum Problem gewordene Entfremdung gegebenenfalls aufgehoben werden könnte?

Dies setzt keineswegs die Unterstellung eines naturgegebenen und deshalb nicht weiter zu hinterfagenden Idealzustands des Menschseins voraus, der sich im wirklichen Leben ebenso naturgemäß dialektisch „von sich selbst entfremdet“ und deshalb ebenso dialektisch zu „verwirklichen“ sei.

“Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben [wird]. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.”

Marx/Engels: Die deutsche Ideologie. MEW Bd. 3, S. 35

Aber es bleibt wie gesagt die Frage, was genau an dem jetzigen Zustand aufhebenswert  ist und was die Möglichkeit, Notwendigkeit und  mögliche Gestalt von speziell deren kommunistische Aufhebung ausmacht. Dass der historischen Negation gemeineigentümlicher Produktions- bzw. Aneignungsbeziehungen im lokalen Rahmen Schübe in der Entwicklung der menschlichen Produktivkraft folgen, die letztlich eine weltkommunistische Negation der Negation lokalkommunistischer Mitmenschlichkeit notwendig und prinzipiell möglich machen werden, ist eine geschichtsphilosophisch inspirierte Hypothese. Deren mögliche Bestätigung vom Leben selbst scheint in den inneren Bewegungsgesetze kapitalistisch strukturierter Produktion und Aneignung, wie sie Marx enthüllte, tatsächlich angelegt zu sein.

Und was sagt die empirische Beobachtung? Zumindest die Notwendigkeit einer weltgemeinschaftlichen Einhegung der inzwischen ins Ungeheuerliche gewachsenen Produktivkräfte scheint mir keine Frage zu sein, und untergründig gibt es auch durchaus – womöglich – in diese Richtung gehende (oder weiter entwickelbare) Bewegung im kapitalistischen Gehege. (Die etwa unter dem Stichwort bzw. der Perspektive der „nachhaltigen Entwicklung“ und „große Transformation“ zusammengefasst werden kann).

Woran es immer noch zu mangeln scheint, ist der Durchbruch einer hinreichend weiterentwicklungsfreundlichen und dennoch griffigen, in historisch gesehen sehr kurzer Zeit verallgemeinerungsfähigen Theorie der Notwendigkeit, Möglichkeit und möglichen Gestalten einer Philosophie der menschlichen Entwicklungsperspektiven in den Zeiten schmelzender Polkappen, die hilft, die im Begriff der „nachhaltigen Entwicklung“ zusammengefassten Herausforderung anzunehmen, und die infolgedessen auf die Ermöglichung weltgemeinschaftliche Grenzziehungen hinsichtlich der wesentlichen Produktionszwecke, -methoden, -voraussetzungen und -wirkungen orientiert.

Auch wenn meistens nur Wahrscheinlichkeiten bestimmt werden können, und im Bewusstsein der historischen Beschränkungen des – auch eigenen – Wissenkönnens und -wollens müsste eine solche Entwicklungsphilosophie um Konsistenz und wissenschaftliche Beweisführung bemüht und in der Lage sein, sich öffentlichen bzw. wissenschaftlichen Überprüfungen zu stellen und sich darin argumentativ zu behaupten. Sie müsste auch nach möglicherweise in ihr selbst  angelegten oder anlegbaren Diapositiven totalitärer Menschenfeindlichkeit fragen. Und sie muss klären helfen, warum diese die historischen Sozialismusversuche letztlich prägten. Sie muss zur Befähigung der Übernahme von Verantwortung gegenüber den tatsächlichen Verlaufsformen der historischen Sozialismusversuche beitragen und dabei vor allem die Perspektive der dabei Leidtragenden hervorheben.

Oko-kommunistscher Humanismus als Wegweiser

Was spricht für die Theorie der Notwendigkeit, eine solche Entwicklungsphilosophie als eine des (öko-) humanistischen Kommunismus zu verstehen, bzw. als eine des (öko-) kommunistischen Humanismus? Und was macht diese Begriffe zu Werkzeugen der wissenschaftlichen Ergründung des in näherer bis mittlerer Zukunft zu Tuenden?

Die Formulierung begrifflicher Instrumente, die einen Orientierung versprechenden Blick auf die gegebenen Verhältnisse ermöglichen sollen,und darauf, was daran mit einer welchen Perspektive aufzuheben wäre, muss nicht nur Bestimmungen enthalten, die die Formulierung von Indikatoren erlaubten, anhand dessen die im Rahmen der formulierten Perspektive getätigten Aussagen überprüft bzw. beliebig nachvollzogen werden können. Die damit bezeichnete Philosophie bzw. gesellschaftliche Perspektive sollte auch eine schöne Geschichte zu erzählen haben. Sie darf Poesie enthalten. Spielerische Elemente.

Die in Engels „Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen.„aufgeführten Merkmale des spezifisch Menschlichen sind keineswegs aus der eigenen Idealvorstellung gegriffen,  d.h. aus dem, was er dem eigenen oder ungefragt übernommenen Menschenbild gemäß zufällig für ein korrektes Menschsein hält. Engels verarbeitete die seinerzeit bekannten Erkenntnisse der Naturwissenschaft ohne dass er etwa versuchte, daraus die Richtigkeit bestimmter gesellschaftlicher Entwicklungen abzuleiten. Er vollzog die, wie er es nannte, Emanzipation der Vorderfüße nach, die dem werdenden Menschen zugleich handlungsfreiheit und mit dieser die Fähigkeit der gedanklichen Steuerung des Handelns verschaffte. Noch einmal verstärkt durch die sich damit entwickelnde Fähigkeit zur Herstellung von Werkzeugen. Als spezifisch menschliche Eigenheit stellte er die Fähigkeit heraus, einen für sich und andere nutzbaren Zustand oder Gegenstand bewusst herzustellen, d.h. bereits vor und während der Bemühungen deren späteren Nutzen bereits im Kopfe vorweg zu nehmen. Er zitiert dazu Max:

„Wir unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen ausschließlich angehört. Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war.

Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 193

„Die Arbeit schuf den Menschen…“

…. postulierte Engels. Er verwies auf die Wechselbeziehungen zwischen der Entwicklung der körperlichen und der geistigen Ausstattung der Menschen und die Rückwirkungen, die die damit entwickelten Handlungsfreiheit bzw. Fähigkeit zur bewussten Herstellung eines im Kopfe bereits vorher bestimmten (bzw. abgestimmten) Nutzens wiederum auf die Entwicklung der menschlichen Grundausstattung ausübte. Die Entwicklung der menschlichen Fähigkeit zur Handlungs- bzw. Gestaltungsfreiheit, das, wie Marx in jungen Jahren bemerkte, „menschlich werden der Natur“  (besser: von Natur) bedeutete bzw. bedeutet allerdings keinen für alle gleichmäßigen, gradlinigen Zugewinn an so bestimmter Mensch- bzw. Menschlichwerdung.

Mit der Fähigkeit zur Produktion von Überschüssen über das selbst benötigte begann sich die Struktur der menschlichen Produktionsbeziehungen grundlegend zu verändern. Familien und sonstige soziale Einheiten (meist patriarchalischer Natur) konnten sich nun zu privilegierten Eigentümern menschlicher Existenzbedingungen machten und somit andere nötigen, für sie zu arbeiten. Für zunehmend mehr Menschen bedeutete der damit zweifellos voran getriebene menschliche Fortschritt, selbst zunehmend gezwungen zu sein, einen zunehmenden Teil der eigenen Produktivkraft für fremde Zwecke zu verausgaben, d.h. eben nicht den eigenen Kopf dafür zu benutzen, das soziale Ergebnis der eigenen Mühen (mit) zu bestimmen.

Tatsächlich ist das bleibende große Verdienst von Marx/Engels die Entdeckung der systematischen Zusammenhänge von Produktivkraftentwicklung mit den historischen Wandel der Produktionsverhältnisse, d.h  der Arten in der die Produktion und deren Aneignung organisiert, gesichert oder weiterentwickelt und bedacht werden und damit der sich in der Geschichte abwechselnden Gesellschaftsformationen, die sich auf Grundlage bestimmter Produktionsweisen ergebenen.

Nicht so ganz nachvollziehen mag ich, und das scheint dem Herausgeber der Neuedition der deutschen Ausgabe von „Für Marx“ Frieder Otto Wolf nicht anders zu gehen, warum Althusser für Marx/Engels‘ zentrale Forschungsperspektive den Begriff „Wissenschaft von der Geschichte“ wählt. Wenn die begrifflichen Schlüssel, mit denen Zusammenhängen (hier von Produktivkraftentwicklung und die historischen Möglichkeiten bzw. Notwendigkeiten der Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen und deren ökonomischen Grundlagen) erschlossen werden sollen, tatsächlich eine so große Rolle spielen, dann sollten sie auch in eine Weise ausgefeilt sein, dass sich die richtigen Fragen – nach Möglichkeit  – intuitiv aufdrängen.

Sicher sind die etablierten Begriffe „historischer Materialismus“ bzw. „dialektischer Materialismus“ nicht wirklich zufriedenstellend. Sie mögen zum Geschichtsdeterminismus auf Grundlage vermeintlicher Naturgesetzmäßigkeiten verleiten wo es vernünftigerweise nur darum gehen kann, die historischen Handlungs- bzw. Entwicklungsbedingungen gesellschaftlicher Verhältnisse, Möglichkeiten, Ideen usw., zu verstehen, die von den historisch gegebenen Individuen nicht ohne weiteres überwunden werden können. (Vielleicht sollte besser von einer Wissenschaft bzw. Theorie oder Dialektik der Entwicklungsbedingungen und Formen menschlicher Gestaltungsfreiheit oder ähnliches geredet  und das mit einer lustigen Abkürzung „griffig“ gemacht  werden – hier wäre das dann  allerdings nur eine EFMG Theorie, was zugegebenermaßen nicht gerade prickelnd klingt)  🙂

Wie auch immer. Tatsächlich brauchen wir den wissenschaftlich gestrengen Blick auf den historischen Stand der technologischen Möglichkeiten und auf die Zwänge, Freiheiten, Ideen, Bedürfnisse, Wünsche, Moralvorstellungen etc.die diese produktiv, akzeptabel handhabbar oder auch erst Wirklichkeit werden lassen. Aber das verbietet uns keineswegs, in einer ebenso streng wissenschaftlichen Weise danach zu fragen,was genau eine als (öko-) kommunistischer Humanismus oder als (öko-) humanistischer Kommunismus vorgestellte Perspektive ausmacht und woran etwa deren Wirklichkeit, Entwicklungsbedingungen, Chancen oder auch Gefahren zu erkennen sein werden bzw. sind.

Weitere Mensch(heits)werdung

Mögliche Antworten wären, dass die menschlichen Produktivkräfte und deren destruktive Kehrseiten heute soweit entwickelt und deren Globalisierung so weit fortgeschritten sind, dass einige wesentlichen Erscheinungen von „Entfremdung“ zu einer ebenso bedrohlichen wie prinzipiell überflüssigen Macht geworden sind. In gemeinsam betreffenden, existenziellen Fragen scheinen die Menschen insgesamt von ihrem ureigenen Vermögen abgeschnitten zu sein, zielgerichtet einen sozialen Nutzeffekt herzustellen, aus den dabei gemachten Erfahrungen zu lernen, eine kulturelle Evolution der Nutzeffekte und der Mittel ihrer Herstellung in Gang zu halten und die dabei genutzten Ressourcen so zu pflegen und zu nutzen, dass sie auch auf lange Sicht nicht versiegen bzw. auch jenseits der menschlichen Nutzerinteressen noch hinreichend Leben gedeihen kann.

Für Menschen ist die Art gerechte Haltung ihr aufrechter Gang. Wir sind prinzipiell in der Lage, für die Wirkungen des eigenen Tun und Lassens voreinander gerade zu stehen. Doch trotz hohem Globalisierungsgrad bewegen sich die Menschen noch in  bornierten Behauptungs- bzw. Rechtfertigungsbeziehungen, die privateigentümlich voneinander abgeschnitten sind. Die um den Globus verteilten Akteure von Produktion, Konsum, Wissenschaft, Medien, Freizeit und Lebensraumgestaltung, Bildung und Politik können ihr Tun und Lassen (auch etwa im Hinblick auf das außermenschliche Leben) nicht in einer hinreichend mitmenschlichen Weise miteinander abstimmen. Unsere basalen Beziehungen sind des Warensinns. (Übrigens gibt Althusser mit seiner Weigerung, den Begriff „Fetischcharakter“ als einen Begriff anzuerkennen, der „der Wissenschaft von der Geschichte“ eigentümlich sei, eben das Instrument aus der Hand, mit dem die sich aus der beschriebenen Isolation der (Welt-) Marktsubjekte voneinander im Warenverkehr unwillkürlich hervorgehenden Verkehrung der Wahrnehmung – auch von Verantwortung wissenschaftlich ergründen lässt).

Im Wesentlichen vermittelt Geld die privateigentümlich, sektoral oder national bornierten Fähigkeiten und Bedürfnisse entsprechend von Wirtschaftskraft, die nur mittels Abschirmung vom großen Ganzen generiert werden kann. Getrieben vom Selbstvermehrungstrieb des Geldes (als Kapital), wechselt die unsichtbare Hand des Marktes beständig vom Dr. Jekyll  in den Mr. Heyde Mode und umgekehrt. Eine Entparzellierung der menschlichen Handlungsfreiheit scheint das Gebot der historischen Situation.

Doch was vielleicht in Richtung von Verhältnissen ginge, die allen ein gutes Leben ermöglichen könnten ohne dass dies die Grundlagen des guten Lebens aller untergraben müsste, scheitert an der existenziellen Abhängigkeit von den heutigen Mitteln der Existenzsicherung und Bereicherung. Menschen und Gruppierungen, abhängig Beschäftigte, Unternehmen und selbst Nationen. die öko-humanistische Visionen entwickelten, müssten der Gefahr ins Auge blicken, vom erquickenden Geldfluss abgeschnitten zu werden, der Löhne, Unternehmens- und Zinsgewinne und damit auch Steuern und den Zufluss an Wählerstimmen speist.

Niveau und Globalisierung der menschlichen Fähigkeiten haben also in jeder erdenklichen Hinsicht einen Umfang angenommen, der sehr grundlegende Fortschritte in der weiteren Menschheitswerdung notwendig aber, im Gegensatz zu früheren Zeiten, auch prinzipiell möglich erscheinen lässt. Mehr ökologisch reflektierten Humanismus zu wagen im Sinne der beschriebenen Weiterentwicklung  bzw. Verallgemeinerung der menschlichen Fähigkeit in Richtung ökologisch verantwortlicher Zukunftsgestaltung (und zu diesem Zweck die Köpfe zusammenzustecken) bedarf dieser weltkommunistischen Komponente. Die weitere Menschwerdung bedarf Fortschritte in der Menschheitswerdung – und umgekehrt.

In diesem Sinne müsste der wissenschaftliche Blick auf die bestehenden oder in der Entwicklung befindlichen realen Ansätze und Initiativen gerichtet sein, die dazu beitragen könnten, die menschlichen Fähigkeiten zur gemeinschaftlichen (und ökologisch bewussten) Zukunftsgestaltung weiter zu entwickeln und hinreichend zu verallgemeinern. Da wären etwa die gegenwärtig im UN-Rahmen laufenden Prozesse zur Formulierung globaler Nachhaltigkeitsziele zu nennen. Deren große Bedeutung ergibt sich vor allem aus der Tatsache, dass hier nach der Rioerklärung, der Agenda 21 der UN Umwelt und Entwicklungskonferenz von 1992 deren Weiterentwicklung in Johannesburg ein erneuter, und wesentlich verbesserter Versuch einer von den Staaten der Welt getragenen Nachhaltigkeitsagenda unternommen wird.

Die in den Prozess zwangsläufigen geschehenen Verwässerung dessen, was tatsächlich zu tun wäre, sollte kapitalismuskritische, linke Akteure nicht erneut dazu verleiten, gegenüber den UN-Aktivitäten in Richtung nachhaltigen Entwicklung in Resignation, Zynismus und Ignoranz zu flüchten. Bei allem Verständnis für das Gefühl der Überforderung, die eben auch strukturell ist und Teil des geschilderten Problems, sollten hier doch Anstrengungen unternommen werden, die rein ideologische Ebene zu verlassen und Wissen darüber zu generieren, aufgrund welcher Bedingungen, Maßnahmen usw. das in diesem Prozess liegende Emanzipationspotenzial dazu übergehen könnte, sich die Etablierung eines Für- und Voneinanders stark zu machen, das auf Grundlage eines – am Ende weltgemeinschaftlichen – Ressourcen bzw. Nachhaltigkeitsdmanagemens funktioniert.

In diesem Sinne wäre gerade auch in der Entwicklung „marxistischen“ Emanzipationswissenschaft mehr (öko-) kommunistischer (!) Humanismus gewagt werden oder auch mehr (öko-) humanistischer Kommunismus.

hhh

Die kritischen Anmerkungen zu Althussers Verlangen nach einem  „theoretischen Antihumanismus“ werden mit einem dritten Teil fortgesetzt. Sie stehen im Kontext eines umfangreicheren Vorhabens über den grünen Marx und was wir von ihm lernen können (Theorie der Notwendigkeit, mehr kommunistischen Humanismus zu wagen). Kritische Anmerkungen sind willkommen.

In den nächsten Tagen und womöglich auch länger noch dürfte der Text erfahrungsgemäß noch etwas nachreifen, heißt, ich werde hier und da sicher noch kleinere Korrekturen und Ergänzungen vornehmen.

1 Responses to Zu Althussers Kampf gegen sozialistischen Humanismus als Leitbegriff einer Theorie sozialer Emanzipation (2)

Hinterlasse einen Kommentar