Zu Peter Rubens K-Verständnis (1/2)

Aus Anlass seines 80 Geburtstag hatte die Helle Panke Peter Ruben zu einer kleinen Festveranstaltung geladen. Neugierig gestimmt hatten mich ebenso einige seiner Bemerkungen über Arbeit und Idealismus in von mir unlängst aufgelesenen Beiträgen von ihm wie auch die Geschichte seiner zweimaligen Verbannung durch die „realsozialistischen“ Hohenprister der wissenschaftlichen Weltanschauung für die Bekenntnisse zum Heiligen Sankt Materialismus alles und Erkenntnisse (jenseit der über eben dieses Bekenntniss) nichts waren.

In seiner Ansprache hatte der Jubilar zunächst über die seiner Meinung nach notwendige Anpassung Hegels dialektischer Logik an die formale Logik gesprochen, was für mich als philosophiescher Laie erst einmal sehr rätselhaft klang. Dass das gesellschaftliche Sein ein Werden ist, scheint mir auch bei oberflächlicher Betrachtung nur logisch zu sein. Dass damit ersteinmal nichts inhaltliches gesagt ist und Werden auch Negation dessen ist, was schon etwas gewordenen war aber nun nichts mehr (wert) ist, der Satz also zugleich alles und nichts zum Gegenstand hat (das Werden zugleich alles und nichts ist), ist in meinen Augen auch nicht groß unlogisch. Hauptsache man kommt irgendwann dahin, Gedanken darüber auszutauschen, was in aller Welt was genau (nicht) werden soll und warum (nicht) und unter welchen Umständen das (nicht) gelingen könnte. Aber so kann wohl nur einer daherschreiben, der in die Geheimnisse der formalen Logik nicht adäquat eingewiesen ist.

Leichter nachzuvollziehen schien mir immerhin Rubens Kritik an die in seiner Zunft verbreitete Marotte, wesentliche Fixpunte des erkennenden Bedenkens mit nur einem einzigen Wort auf den Begriff  bringen zu wollen. Besser wäre es doch, so Ruben, das zu Begreifende in einem ganzen Satz zu sagen oder notfalls auch in zwei, sollte der eine einen logischen Widerspuch  enthalten. Was unter dem Wort „Kommunismus“ zu verstehen sei, würde zum Beispiel so gut wie nie hinterfragt, es scheint deshalb nur (fälschlicherweise) ein „Begriff“ mit einer intrinsichen Wahrheit zu sein. Das Wort „Kommunismus“ würde meist als etwas behandelt, dass man nicht zu hinterfragen bräuchte also als Mysterium an das man schlicht glauben oder auch nicht glauben könne. (Eine sehr richtige Beobachtung! Eben diese Erkenntnis hat mich zum Start dieses Blogs bewogen.)

Doch Ruben sieht „Kommunismus“ augenscheinlich selbst als ein mit eigenem Geist (mit eigenem Prädikat) beseeltes Subjekt, nämlich mit der Bestimmung (dem Prädikat) „Gütergemeinschaft“ beseelt. Und die solle endlich aufhören, in unserer modernen Welt herum zu spuken.

Auf den Ur-Soziologen Tönnies verweisend behauptete Ruben einen Gegensatz zwischen einer modernen, auf Warenaustausch (Marktwirtschaft) beruhenden „Gesellschaft“und eine auf „Gütergemeinschaft“ beruhende „Gemeinschaft“. Die kommunistische Perspektive einer Arbeitergemeinschaft nannte er eine romantische Idee. Er verwies dabei auf ein im ND erschienenen Beitrag vom ihm aus dem Jahr 2010. Der sei zu seinem großen Bedauern nirgendwo beachtet oder gar diskutiert worden.

Ich möchte die Reihen der Ignoranten hiermit verlassen und den Versuch einer inhaltlichen Auseinandersetzung wagen. Ich bin neugierg. Was also genau ist Peter Rubens Verständnis von „Kommunismus“? Welche erläuternde Sätze hat er in seinem ND-Beirag diesbezüglich zu bieten? In der Tat bräuchte die Welt ein vernünftges Verständnis von „K“, das heißt eines, über dessen weitere Werdewürdigkeit (aktuelle und perspektivische Berechtigung) sich wirklich und mit guten Gründen streiten ließe, also ein modernes, d.h. ungläubiges und freiheitliches, immer auch vorläufiges, dialogisch prozessierendes Verständnis von „K“, dessen Realität „falsifizierbar“ wäre. Könnte Ruben zur Weiterentwicklung dessen beitragen, was ich in meinen Thesen im About mehr (Öko-) Kommunismus wagen 😉 bez. mit der Reflektion Was heißt hier Sozialismus? versucht habe? Der erste Teil des Untertitels  seiner Intervention klingt vielversprechend, der zweite …. nun ja.

„Von der Notwendigkeit exakter Begriffe und warum auch der Vatikan eine kommunistische Institution ist“

Die Lektüre des Beitrags hat meine während seiner Gebutstagsansprache gewonnene Skepsis leider bestätigt. Der Autor scheint zunächst einmal das „realsozialistische“ K-Verständnis zu übernehmen.

20 Jahre nach dem Abgang der kommunistischen Herrschaft dominant russischer Provenienz in Osteuropa wird im deutschen Sprachbereich wohl eher moralisch emp€rter Antikommunismus und nostalgische Verklärung der DDR Errungenschaften als eine ernst zu nehmende sozialtheoretische Analyse des von 1917 bis 1991 herrschenden, also 74 Jahre bestehenden, kommunistischen Systems betrieben.

Für Ruben sind Kommunisus und Unmündigkeit  also keine sich logisch ausschließende Gegensätze. Und er sieht in den repressiven Parteikader-Diktaturen des so genannten „Realsozialismus“ offenbar kommunistische Systeme. Zwar gibt Ruben zu bedenken:

Der Begriff des Kommunismus wird in der Regel gar nicht bestimmt, vielmehr genügt schon das Wort, von dem in schöner erkenntnistheoretischer Naivität gemeint wird, es sei ein Begriff.

Doch der Kritiker der Pappenheimer ist selber einer. Er setzt nur stillschweigend den „Kommunimusbegriff“ voraus, der Freund und Feund der sich als „Realsozialismus“ darstellenden Sozialismusversuche gleichermaßen heilig war. Den einen als wohlfeiles Versprechen eines künftigen Himmels auf Erden, der all die realen Demütigungen rechtfertigte, und den anderen als Denunziation aller nur denkbaren Sozialismusversuche als von vornherein übler Natur. Weiter schreibt Ruben:

In den verschiedensten Darstellungen wird in der Regel nicht vom »Kommunismus« gesprochen, sondern vom »Sozialismus«, vom »Staatssozialismus«, »Realsozialismus« etc., welcher sich 1990 mit dem Ende der DDR, 1991 mit dem Niederholen der roten Flagge vom bekannten Kremlturm verabschiedet habe. Den entsprechenden Namensverwendern ist wohl nicht geläufig, dass sie tatsächlich eine Kominternphrase verwenden.

Warum soll ihnen (uns) das nicht geläufig sein? Wer sieht im Terminus „Realsozialismus“ nicht ein Zeichen der philosophischen Kapitulation? Normative Bestimmungen konnte man sich natürlich nicht trauen. Und eine andere Frage: Wird Ruben noch Marx/ Engels problematischsten „Begriff“ zur Sprache bringen, d.h. die „Diktatur des Proletariats“?

Mit ihr wird in der Tradition Lenins die von Marx »erste Phase der kommunistischen Gesellschaft« (MEW 19, S. 21) genannte Ordnung »Sozialismus« genannt (vgl. die Leitsätze über die Grundaufgaben der Kommunistischen Internationale vom II. Kominternkongress 1920). Damit ist natürlich logisch der Sozialismus als Art des Kommunismus erklärt, als dessen Früh- oder Erstform.

Lenin ertklärte etwas zu etwas, also ist es das?  Wieviel „Kommunismus“ hatten die versuchten Übergangsgesellschaften realisierten können? Kann auf Basis geheimpolizeilich gestützter Allmacht (genannt „Realität“),  Staatswirtschaft („Sozialismus“) und strengste Diktatur über die Medien („revolutionäre Diktatur“) auch nur ein klitzekleines Stückchen Kommunismus ermöglicht werden? Was wurde vielleicht trotzdem verwirklicht oder verspielt, verbrochen, gebrochen  oder zum Durchbruch gebracht? Wer diesen Fragen einigermaßen wissenschaftlich korrekt nachgehen möchte, sollte ein paar Gedanken auf eine Bestimmung dessen wagen, was „Kommunismus“ denn nun genau sein soll. Ohne dem kann auch die folgende Frage nicht sinnvoll beantwortet werden.

Die Frage, die nach den Erfahrungen mit der Herrschaft der Kommunisten zwischen 1917 und 1991 m. E. aber gestellt werden muss, lautet: Ist die bolschewistische Deutung des Sozialismus als einer Kommunismusart wissenschaftlich korrekt bzw. wahr?

Ich kann dazu nur sagen: Ich verstehe unter Kommunismus diejenigen sozialen Prozesse, die wirklich (für alle beleg- also auch bestreitbar) in Richtung einer weltgemeinschaftlichen Verantwortung für die Entwicklung, den Einsatz und die Reproduktion der meschlichen (und von Menschen beeinflussten) Mittel der Existenzsicherung und Bereicherung gehen. Eine kommunistische Formation des gesamtmenschlichen Füreinanders sähe ich verwirklicht sobald die Globalisierten dieser Erde tatsächlich in der Lage wären, ihr Füreinander nach Maßgabe sozialer bzw. ökologischer Vernunft zu gestalten, d.h. auf Grundlage eins weltgemeinschaftlichen Nachhaltigkeitsmanagements.

Sozialismus oder meinetwegen auch die rohe Form einer (öko-)kommunistischen Formation des menschlichen Füreinanders sähe ich verwirklicht, wo die in diese Richtung gehenden Prozesse die gesellschaftlich vorherrschenden sind. Mit so einer Bestimmung  hätten wir Maßstäbe mit denen wir den „Kommunismusgehalt“ solcher Dinge wie den Archipel Gulag und was es außerdem an „Errungenschaften“ gegeben haben mag, einigermaßen „wissenschaftlich korrekt“ erfassen könnten. Und niemand wäre darauf angewiesen, die Worte irgendwelcher Heiligenfiguren zum Maßstab der Wahrheit zu nehmen. Weiter Peter Ruben:

„Ich will mich bemühen, diese Frage auf marxistische Weise zu beantworten. Dazu muss ich aber sagen, dass ich unter dem Worte Marxismus alle und genau die Thesen verstehe, die von Marx und seinen Nachfolgern formuliert wurden, aber keinen logischen Widerspruch zu den Grundannahmen des Feuerbach-Kapitels der »Deutschen Ideologie« sowie der Wertlehre des »Kapital« einschließen“

Ein weites Feld! Ich nehme mal die in Marx/Engels: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 34 – 35 genannten Bedingungen der Möglichkeit „Entfremdung“ zu überwinden.

Mein Marxismus schließt die (moralisierende, das Geld denunzierende) »Kritik der Nationalökonomie« aus, welche die menschliche Emanzipation mit der Abschaffung des ökonomischen Werts, des Geldes und gar der Arbeit identifiziert.

Gemeint ist offenbar Engels im Januar 1844 in Paris verfassten „Umrisse einer Kritik der Nationalökolonie“, die dem jungen Marx als  Wegweiser in Richtung  seiner eigenen Auseinandersetzung mit der „ökonomischen Basis“ jedweder Gesellschaftlichkeit gedient hatte. Engels Frühschrift war noch im Empört-Euch-Duktus verfasst. Dort heißt es gleich zu Beginn:

Die Nationalökonomie entstand als eine natürliche Folge der Ausdehnung des Handels, und mit ihr trat an die Stelle des einfachen, unwissenschaftlichen Schachers ein ausgebildetes System des erlaubten Betrugs, eine komplette Bereicherungswissenschaft. Diese aus dem gegenseitigen Neid und der Habgier der Kaufleute entstandene Nationalökonomie oder Bereicherungswissenschaft trägt das Gepräge der ekelhaftesten Selbstsucht auf der Stirne. Man lebte noch in der naiven Anschauung, daß Gold und Silber der Reichtum sei, und hatte also nichts eiligeres zu tun, als überall die Ausfuhr der »edlen« Metalle zu verbieten. Die Nationen standen sich gegenüber wie Geizhälse, deren jeder seinen teuren Geldsack mit beiden Armen umschließt und mit Neid und Argwohn auf seine Nachbarn blickt. Alle Mittel wurden aufgeboten, um den Völkern, mit denen man im Handelsverkehr stand, soviel bares Geld wie möglich abzulocken und das glücklich Hereingebrachte hübsch innerhalb der Mautlinie zu behalten. Die konsequenteste Durchführung dieses Prinzips hätte den Handel getötet. Man fing also an, diese erste Stufe zu überschreiten; man sah ein, daß das Kapital im Kasten tot daliegt, während es in der Zirkulation sich stets vermehrt. Man wurde also menschenfreundlicher, man schickte seine Dukaten als Lockvögel aus, damit sie andere mit sich zurückbringen sollten, und erkannte, daß es nichts schadet, wenn man dem A zuviel für seine Ware bezahlt, solange man sie noch bei B für einen höheren Preis loswerden kann

Nunja, die spätere Entwicklung zu einer mehr nüchternen Betrachtung bzw. Analyse ist gewiss von unschätzbarem Wert, aber wird man dem jungen Engels mit dem Urteil „moralisierend“ und „das Geld denunzierend“ gerecht?  Im „kommunistischen Manifest“ waren die befreienden Momente der Geld vermittelten Bereicherung in geradezu hymnischer Begeisterung hervorgehoben, was dann oft als „westlicher Fortschrittsoptimismus“ denunziert wurde. Ich wäre vorsichtiger. Die wirklich interessante Frage wäre für mich, ob Engels die Roheiten des merkantilistischen Entwicklungsstadiums und ihres Widerhalls in der entstehenden Wissenschaft der Nationalökonomie richtig oder falsch erfasst hatte.

Es wäre von Vorteil zu erfahren, exakt welche Stellen Peter Rubens Widerwillen erzeugt haben. Marx jedenfalls bestärkte Engels Schrift in seiner eigenen Entdeckungsreise auf der Suche nach dem (historischen) Wesen der beklagten Zeiterscheinung „Geldgier“. Das hat er schließlich im zur Selbstvermehrung verdammten (ökonomischen) Wert (gesellschaftlichen Tauschwert bzw. klassenspezifischen Aneignungsvermögen) entdeckt. Und zwar als Klasseninteresen und  privateigentümliche Borniertheit reproduzierender Fortschrittsnmotor spezifisch kapitalistischer Produktivität.

In einem Füreinander auf Basis (welt-) kommunistischer Formen der Zweck- und Mittelbestimmung  würde über die aufzuwendende Arbeitszeit nicht mehr „hinter dem Rücken der Akteure“ auf Basis bornierter Interessen bzw. Bedürfnisse von Warenproduzenten bzw. -konsumenten entschieden also nicht mehr auf Basis gesamtgesellschatlich bzw. ökologisch weitgehend blinder Prozesse. Über Aufwand oder Einsparung von ArbeitszeitEs müsste im Rahmen gemeinsamer Abwägungsprozesse entschieden werden als nur ein (am Ende gemeinsam akzeptiertes) Kriterium für gesellschaftliche Kosten , Notwendigkeiten oder Möglichkeiten, das  mit ökologischen Anforderungen in Richtung wünschenswerter Zuständen der  Naturumwelt, sozialer Standards usw. (mit dem unbeschwert genießbaren Bereich innerhalb des ökohumanistischen Dougnuts) ins Benehmen zu bringen wären.  Rubens Marxismus geht stattdessen …

… von Marx‘ Vorstellung Robinsons nützlicher »Arbeiten verschiedner Art« mit den zugehörigen Arbeitszeiten aus, in denen, wie Marx notiert, »alle wesentlichen Bestimmungen des Werths enthalten« sind, und von dem bekannten »Verein freier Menschen«, die ihre vielen individuellen Arbeitskräfte als eine gesellschaftliche Arbeitskraft verausgaben – mit der Konsequenz, dass sich alle Bestimmungen von Robinsons Arbeit wiederholen, »nur gesellschaftlich, statt individuell« (vgl. Marx‘ Kapital in der Urausgabe von 1867, S. 36-37).

Man braucht nicht zur Urausgabe greifen. Das Zitat findet sich genau so in MEW 23, S. 92-93 Direkt im Anschluss heißt es dort:

Alle Produkte Robinsons waren sein ausschließlich persönliches Produkt und daher unmittelbar Gebrauchsgegenstände für ihn. Das Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Teil dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Er bleibt gesellschaftlich. Aber ein anderer Teil wird als Lebensmittel von den Vereinsgliedern verzehrt. Er muß daher unter sie verteilt werden. Die Art dieser Verteilung wird wechseln mit der besondren Art des gesellschaftlichen Produktionsorganismus selbst und der entsprechenden geschichtlichen Entwicklungshöhe der Produzenten. Nur zur Parallele mit der Warenproduktion setzten wir voraus, der Anteil jedes Produzenten an den Lebensmitteln sei bestimmt durch seine Arbeitszeit. Die Arbeitszeit würde also eine doppelte Rolle spielen. Ihre gesellschaftlich planmäßige Verteilung regelt die richtige Proportion der verschiednen Arbeitsfunktionen zu den verschiednen Bedürfnissen. Andrerseits dient die Arbeitszeit zugleich als Maß des individuellen Anteils des Produzenten an der Gemeinarbeit und daher auch an dem individuell verzehrbaren Teil des Gemeinprodukts. Die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen zu ihren Arbeiten und ihren Arbeitsprodukten bleiben hier durchsichtig einfach in der Produktion sowohl als in der Distribution.

Zunächst einmal gilt es zu verstehen, dass hier nicht kapitalistische und kommunistische Produktionsverhältnisse gegenüber gestellt sind. Denn die Robinsonade ist ein von der bürgerlichen Nationalökonomie als ewiges Naturverhältnis idealisiertes Modell des kapitalistischen Füreinanders. Das von Marx dem gegenüber gestellte Modell des Beginns eines noch rohen „kommunistischen“ Füreinanders unterstellt „nur zur Parallele mit der Warenproduktion“, dass sich die Größe des individuellen Anspruch  auf einen Anteil an den erarbeiteten Gebrauchswerten danach bemessen wird, was der Betreffende selbst an Arbeitszeit verausgabt hat. Dass das eine empirisch unhaltbare Unterstellung ist, war natürlich auch Marx klar, denn die tatsächliche Bedeutung dessen, was in einer Arbeitszeiteinheit jeweils geleistet wurde für den gesellschaftlichen Reichtum würde ja vollkommen negiert.   (Vor dem heutigen Erfahrungshintergrund  ließe sich vielleicht ein geteiltes System der individuellen Akkumulation von Aneignungsvermögen vorstellen bestehend aus einer allen bedingungslos zur Verfügung stehenden Grundausstattung und einem Mehr, das sich nach gesellschaftlichen Verdiensten ergäbe für die Punkte erworben werden können. Beides innerhalb dessen, was als Grenzen der ökologischen Vernunft erkannt ist. Von der Höhe müsste ein zusätzliches individuelles Aneignungsvermögen als Entgelt für mehr Leistungen sicher auf ein gesamtgesellschaftlich vernünftiges Maß begrenzt sein, wobei ab einer bestimmten Höhe ein Übergang vom zusätzlichen Aneignungsvermögen zum vermehrtem Mitbestimmungsvermögen hinsichtlich gesellschaftlicher Projekte denkbar wäre).

Marx macht hier aber vor allem darauf aufmerksam, dass die individuelle geleistete Arbeitszeit (und wir wissen, gilt das auch für deren Bedeutung für den gesamtgesellschaftlichen Reichtum oder deren Verlust)  innerhalb der Warenproduktion – ganz anders als es die Robinsonade suggeriert – intransparent ist und dass erst bei einem kommunistischen Füreinander die verausgabte Arbeitszeit (sei es als sinnvolle oder verschwendete)  als solche in die gesellschaftlichen Abwägungsprozesse eingehen kann. Was auch heißt, dass die Mittel menschlichen Existenzsicherung und Bereicherung nicht mehr die Form ökonomischer Werte bzw. Warenpreise annehmen und deren Produktion auch nicht mehr durch deren Auf- und Ab gesteuert wird. Degegen Peter Ruben:

„Meine Annahme über die Natur einer marxistischen Analyse besteht also darin, die menschliche Arbeit – die wirkliche Selbstbestimmung der Menschengattung – als Wertbildung bzw. Wertschöpfung zu denken. Und das gilt für alle denkbaren Sozialformationen. Ein Formenwandel der Arbeit ist keine Beseitigung derselben; Arbeitsarten kommen und gehen, die Arbeit bleibt.“

Ich gehe davon aus, dass Ruben mit der „wirklichen Selbstbestimmung der Menschengattung“ die Marx/Engelsche Erkenntnis der Bedeutung von Arbeit für die Menschwerdung des Affen anspricht, er hier also Arbeit allgemein als eine Tätigkeit sieht, deren voraussichtlicher Nutzen (deren gute und faulen Früchte) für andere ideell vorweggenommen ist. Arbeit verstanden also als ein auf soziale Zwecke gerichtete (und entsprechend vernünftige)  Umwandlung von Arbeitsmaterial (Naturressourcen und Artefakte) mit Hilfe von Arbeitsmitteln (Produktionsmitteln).  Die so verstandene Arbeit kann tatsächlich nicht aussterben sondern immer nur Formenwechsel erfahren, d.h. Veränderungen der Formen, in denen Produktion und Konsum (Organisation, Regulierung von Nebenwwirkungen usw.) vermittelt werden. Nur vergisst er, dass die Warenproduktion mit ihren Warenwerten eine dieser (historischen)  Vermittlungsformen von Arbeit ist, und die Marx/Engelsche Perspektive darauf gerichtet ist, eben diese zu überwinden. Was natürlich auch Ruben nicht gänzlich übersieht:

Die Annahme von der Negation des Werts durch die kommunistische Umwälzung – ursprünglich von Engels in seinen Umrissen zu einer Kritik der Nationalökonomie 1844 proklamiert – hat Marx 1875 erneut formuliert (vgl. MEW, Bd. 19, S. 19), so dass wir mit Bezug auf die Marx-Rezeption vor einem inkonsistenten Geisteserbe stehen und uns daher, falls wir die logische Forderung der Widerspruchsfreiheit für theoretisches Denken akzeptieren, entscheiden müssen: Welchen Marx wollen wir sozialtheoretisch voraussetzen, den, der die Wertbildung in der menschlichen Produktion generell (also für alle Sozialformationen) behauptet, oder den, der sie für den Kommunismus in seiner voll entwickelten Gestalt nach dem Vorbild von Engels ablehnt? Die Entscheidung dieser Alternative ist unvermeidlich. Sie erklärt auch, warum marxistische Fraktionen gegeneinander auftreten.

Diese Entscheidung ist nicht nötig, denn es gibt schlicht und ergreifend keinen Marx, der „die Wertbildung in der menschlichen Produktion generell (also für alle Sozialformationen) behauptet“.  Aus der von Ruben zitierten Modellannahme (Marx: „nur zur Parallele mit der Warenproduktion“) lässt sich allenfalls die Ansicht Marxens herauslesen, dass etwas für andere zu erarbeiten in allen erdenklichen Gesellschaftzuständen etwas sein wird, dass sich für den, der die Leistung erbringt auch individuell materiall lohnen können sollte, d.h. über die ideelle Freude hinaus, etwas gesellschaftliches Sinnvolles geleistet zu haben, das als auch dann als Eigenes gilt, wenn die direkten Nutzmießer andere sind. Eine Verewigung der Warenproduktion mit ihren Warenwerten und der Lohnarbeit ist damit ganz sicher nicht intendiert. Ruben weiter:

Mit dieser Voraussetzung ist die Angabe des Begriffs des Kommunismus im marxistischen Sinne einfach. Sie ist ja von den Autoren des »Kommunistischen Manifests« 1848 selbst gegeben worden: »Was den Kommunismus auszeichnet, ist nicht die Abschaffung des Eigentums überhaupt, sondern die Abschaffung des bürgerlichen Eigentums … In diesem Sinn können die Kommunisten ihre Theorie in dem einen Ausdruck: Aufhebung des Privateigentums, zusammenfassen.« (MEW, Bd. 4, S. 475)

Was nun aber beileibe nicht als Bestätigung der vorherigen Behauptung gelesen werden kann.

Hier wird der Hegelsche Aufhebungsbegriff verwendet, der es in sich hat. Daher ist die empirisch genaue Bestimmung der Vorstellung von der »Aufhebung des Privateigentums«, die ja als definierende Bestimmung für den Begriff des Kommunismus verwendet wird, nicht ganz unproblematisch. Ich hoffe aber auf Einverständnis, wenn ich vorschlage anzunehmen, dass die fragliche Aufhebung die Herstellung des Gemeineigentums an den Produktionsmitteln (Produktivvermögen) bedeutet, nicht etwa die Negation des persönlichen Eigentums an den Konsumtionsmitteln (das ist vielmehr unaufhebbar). Demgemäß ist zu sagen, dass der Kommunismus eine Gemeinschaftsordnung darstellt, in der persönliches Eigentum an Produktivvermögen ausgeschlossen ist. Die von Marx und Engels als Theorie der Kommunisten bestimmte Aufhebung des Privateigentums ist also – in einfachster Fassung – die Herstellung des Gemeineigentums an den materiellen Gegenständen und Mitteln der Produktion.

Nicht ganz. Marx sprach sinngemäß von Wiederherstellung des individuellen auf Grundlage des gemeinsamen Eigentums (an Produktionsmitteln). Das kann nichts anderes heißen, als individuell, allerdings im Rahmen gemeinsamer (wenn auch unterschiedlicher) Verantwortung über die Nutzung der zur menschlichen Existenzsicherung und Bereicherung dienlichen Produktionsmittel (mit-)entscheiden zu können. Ruben:

Diese Sicht der Dinge ist in der deutschen Philosophie zuerst von Moses Heß 1837 formuliert worden. Er hat die Gleichheitsforderung der französischen Revolution nur realisierbar gesehen unter der Bedingung des Gemeineigentums: »Wir halten nämlich dafür, daß ›Gütergemeinschaft‹ den Begriff von ›Gleichheit‹ am genauesten und schärfsten bezeichnet. Nur da, wo gemeinschaftlicher Besitz aller Güter … und Nichts an einer Person, als ausschließendes Eigentum, gebunden ist – nur da herrscht völlige Gleichheit.« (In: »Die heilige Geschichte der Menschheit«, Stuttgart 1837) Friedrich Engels wurde der erste von Heß geworbene Kommunist; Marx folgte, nachdem er sich vergewissert hatte, dass Kommunismus nicht notwendig das graue Militärdasein in der Schilderung Babeufs sein müsse, sondern nach Dézamys »Gesetzbuch der Gütergemeinschaft« auch erfreulich alle Springquellen der Produktivität eröffnen könne. Mit der Bestimmung des Kommunismus als derjenigen menschlichen Gemeinschaftsordnung, die das Gemeineigentum am Produktivvermögen unterstellt, ist sicher einsichtig, dass das Wort Kommunismus keine Utopie bedeutet, sondern objektiv-reale Gemeinschaften in Vergangenheit und Gegenwart, deren kommunistische Ordnung außer Zweifel feststeht.

Heißt: Ruben sieht Kommunismus nicht als historischen Prozess der Herausbildung verschiedenartiger Möglichkeiten, über die Entwicklung und den Einsatz der menschlichen Produktivkräfte (bzw. Destruktiuvkräfte) gemeinsam (am Ende auch weltgemeinschaftlich) zu entscheiden, sondern als einen Namen für existierende Gemeinschaften, die keine private Verfügung über ihre Produktionsmittel zulassen.

In allen Menschengemeinschaften, in denen persönliches Produktiveigentum nicht geduldet wird, liegt eine Art des Kommunismus vor. Und wir kennen viele Kommunismusarten: Die Spartaner, die die Messenier unterwarfen und zu Heloten machten, bildeten eine kommunistisch verfasste Gemeinschaft (und dabei eine herrschende Klasse). Die christliche Urgemeinde in Jerusalem realisierte ebenso Kommunismus wie viele Mönchsorden und sonstige christliche Sekten. Ja selbst der heutige Vatikan ist eine kommunistische Institution, denn er lässt kein persönliches Privateigentum zu.

Nicht zu vergessen Polizei, Militär und Gefängnisbürokratie, die auch keine private Verfügung über ihre (Sicherheits-)Produktionsmittel zulassen: Alles Kommunisten! Wer meint, Kommunismus sei nichts als die Abwesenheit von Privateigentum,  kann die Zeichen der prozesshaften Entwicklung einer (welt-)gemeinschaftlichen Bestimmung der Produktionszwecke, -grenzen, -methoden usw. nicht erkennen. Die Perspektive einer (welt-) kommunistischen Aufhebung des von Marx/Engels konstatierten Widerspruchs zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der kapitalistischen Produktion und  der privateigentümlichen Aneigung ihrer Ergebnisse bleibt verbaut. Kein Gedanke an den marx/engelschen Kommunismus als reale Bewegung (Veränderung), die die Entfremdung zwischen Produktion und Konsum (wie auch zwischen Wissenschaft, Politik und sozialer Bewegung)  aufhebt! Und übrigends nur so alle „Herrschaft von Menschen über Menschen“ aufheben kann. Stattdessen (Ruben):

Die DDR war die deutsche Erfahrung des Kommunismus des 20. Jahrhunderts.

Ja, diese Erfahrung sagt allerdings, dass es dort mit dem EXISTENZ-WERDEN kommunistischer (Re-) Produktionsverhältnisse in dem von mir angedeuteten Sinne NICHTS geworden ist

Fortsetzung, siehe hier Im zweiten Teil werde ich mich mit Peter Rubens Sicht auf Tönnies „Vergesellschaftung“ vs. „Vergemeinschaftung“ auseinandersetzen. Kritik willkommen!

4 Responses to Zu Peter Rubens K-Verständnis (1/2)

  1. Habe heute einige kleinere Korrekturen und Präzisierungen vorgenommen. Ein weiteres (geringes) Nachreifen ist nicht ausgeschlossen. (Bisher letzte kleine Eingriffe habe ich am 9.1.14 vorgenommen)

  2. […] Fortsetzung meiner Auseinandersetzung mit Peter Rubens “K”-Verständnis (1/2) […]

  3. Eine Korrektur war notwendig. Im 10. Absatz hatte ich statt Unmündigkeit Mündigkeit geschreben, was dem Verständnis natürlich nicht gut tat. Richtig heißt es jetzt: „Für Ruben sind Kommunisus und Unmündigkeit also keine sich logisch ausschließende Gegensätze.“

    Zu bemerken bliebe, dass Kommunismus nach meinem Verständnis nicht nur aufgeklärter Ausgang aus verschuldeter sondern vorallem auch (welt-) gesellschaftlicher Ausgang aus UNverschuldeter Unmündigkeit ist.

  4. Gerade kleine Korrekturen vorgenommen. Reter Rubens Texte sind auch auf einer eigenen Homepage zugänglich.
    http://www.peter-ruben.de/

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