Grüner Marxismus? Da lohnt ein Blick nach Übersee.

Der folgende Eintrag ist nun auch schon fast drei Jahre alt. Jüngst im Monthly Review vorgestellte Forschungsergebnisse im Zuge der MEGA Edition über Marx’s Ecological Notebooks von  zeigen, welch bedeutende „Marx-Engels-Schriftschätze“in Richtung einer ökologischen Kritik der kapitalistischen Ökonomie noch laufend geborgen werden.

Aktuell (Juni 2016) empfehlenswert auch John Bellamy Fosters  jüngster Essay über Marx`s Ecology and the Left.

Es scheint, dass Marx während seiner Arbeit an den zweiten, dritten  und weiteren Bänden des KAPITALs einen bedeutenden Teil seiner Forschungsarbeit der Ergründung ökologischer Widersprüche der kapitalistischen Vergesellschaftung der menschlichen (bzw. von Menschen dirigierten) Produktivkräfte gewidmet hatte. Und das zeigt m.E. auch, dass die weitgehende Missachtung der Leistungen Friedrich Engels auf diesem Gebiet  seitens eines Großteils der Marxologenzunft sich keineswegs auf „den wahren Marx“ (des Kapitals)  berufen kann.

Meine Skepsis gegenüber gegen Marx gerichtete Vorwürfe einer unkritischen (und eurozentrischen) Fortschrittsgläubigkeit, wie sie etwa im letzten Ökosozialistischen Manifest zum Ausdruck kommt, findet ich in Kohai Saitos Ausführungen und Einwände gegen solche Urteile bestätigt. Die Aufregung über bestimmte Passagen des „kommunistischen Manifestes“ in denen die Wunderwerke des bürgerlichen (sich auf  kapitalistischer Grundlage entfaltenden) Zeitalters und des damit einher gehenden Verdampfens romantischer Vorstellungen gefeiert werden, ist in meinen Augen mehr Ausdruck eines moralisierenden, überhistorische Gültigkeit beanspruchenden „Anti-Kapitalismus“, der die  dialektischen Formen, in denen sich – auch – menschliche Fortschritte bewegen, nicht sehen will bzw.als Bedrohung „proletarischer Moral“ sieht.

Leider ist mit die akademischen Welt auch nach erfolgreicher Beendigung meines „Bummelstudiums“ im Jahre 2011 fremd (und in so fern verschlossen) geblieben und mein Aufruf zur Gründung einer Arbeitsgruppe „Marxistische Ökologie“ im letzten Jahr in einer Mailingliste hatte  letztlich auch kein Erfolg. Wäre also für Tipps sehr dankbar,  wo ich (zunächst im deutschsprachigen Raum?) Verbündete finden könnte für meine beiden Projekte, die ich neben meiner Arbeit im Afrikahaus einigermaßen eifrig (wenn auch ein wenig einsam) verfolge: die Erarbeitung eines grünen Marx-Engels-Lesebuches mit Kommentaren und Bezügen zu  aktuellen ökologischen Problemlagen und  Diskursen und  einer wissenschaftlichen Reflexion mit dem Ziel, an Marx (und Engels) Perspektiven anknüpfend die Notwendigkeit,  Möglichkeit, möglichen Gestalt uns Vernunft einer als  öko-humansistischen Kommunismus  (bzw. öko-kommunistischen Humanismus) vorgestellten Entwicklungsperspektive zu erörtern (mit Marx ins Anthropozän).

hhh, 19. Februar 2016

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Sich um so etwas wie eine öko-humanistische Perspektive zu bemühen, die an Marx wissenschaftlichen Kommunismus anknüpft, heißt natürlich, danach zu schauen, was sich im angelsächsischen Raum in diese Richtung tut. Dass das einiges ist, ist mir nicht entgangen. Aber nun soll aus dem bisher nur gelegentlichen und sozilisationsbedingt leider auch allzu lesefaulen Blick nach Übersee ein systematischer werden.

Mit Gewinn lese ich derzeit einen schon etwas älteren Tagungsbeitrag über Marx kommunistischen Öko-Humanismus von James O‘ Connor, (Prolegomenon to an Ecological Marxism – The Materialist Conception of History) der mir in fast allem aus dem Herzen spricht.  Davon wird hier demnächst noch zu reden sein.

Der Einfachheit halber möchte ich zunächst einige Links zu Texten zusammentragen, die im Internet frei zur Verfügung stehen. (Wer kann, möge für sie spenden wo dies möglich und erwünscht ist) und mich sodann mit diesen auseinandersetzten.

Da wären zum Beispiel:

Capitalism, Nature, Socialism: A Theoretical Introduction

von James O‘ Connor

Marx’s Vision of Sustainable Human Development von Paul Burkett. Abgesehen von den letzten paar Abschnitten, die mir eine allzu enge Vorstellung von Arbeiteremanzipation zu signalisieren scheinen, spricht mir der Beitrag Silbe für Silbe aus Herzen. Burkett erinnert – sehr gut und umfangreich belegt – an die sich bei Marx (und Engels) bis zum Schluss durchziehende Perspektive der Ent-Entfremdung (de-alienation) insbesondere auch in Hinblick auf die Entwicklung (öko-)kommunistischer Aneignungsbedürfnisse gegenber der Naturumwelt.

Fusing Red and Green (Besprechnung von James O’Connor, Natural Causes: Essays in Ecological Marxism) von Paul Burkett.

Organizing Ecological Revolution  von John Bellamy Foster

What Does Ecological Marxism Mean For China?

Ecological Civilization, Indigenous Culture, and Rural Reconstruction in China

Ecological Marxism in China

Global Resource Depletion – Is Population the Problem? Von Fred Magdoff

In der  Monthly Review sind ein ganzer Strauß spannender Beiträge zur Maxist Ecology versammelt:

John Bellamy Foster trug seine Gedanken zum ökologischen Bruch (eigentlich globaler Stoffwechsel-Bruch) unlängst im Rahmen eines „Salelitenseminars“ des Kapital-Lesekurses bei der Rosa Luxemburg Stiftung vor. Davon gibt es einen Ton-Mitschnitt.

Aktuell von JBF: Marx and the Rift in the Universal Metabolism of Nature

Teile der einleitenden Wörter seitens der Veranstalter haben meine Begeisterung allerdings bereits etwas getrübt.

Von der Seite aus fühlte man sich anscheinend bemüßigt, das wohl als eher ökoskeptisch eingeschätzte Publikum mit der Bemerkung zu beruhigen, dass es hier „nicht um die berüchtigten Eisbären“ ginge sondern um „Gerechtigkeit für die, die am meisten unter dem Klimawandel zu leiden haben werden, obwohl sie ihn  am wenigsten verursachen„.

Zwar ist Klimagerechtigkeit zweifellos eine zentrale Herausforderung im Umgang mit so gut wie allem, was zur erfolgreichen Bewältigung des menschengemachten Klimawandels notwendig zu bedenken und zu tun wäre. Doch  so klingt das wiederum nach dem berüchtigten Anthropozentrismus wie er eben urwüchsig aus der „proleratischen“ Vereinzelung und Ohnmacht heraus und insbesondere seitens der davon auf den Plan gerufenen Seelenretter und Fürsorglichen aller Coleur als Non plus Ultra jeglichen Humanismus erscheint. Aber was können Eisbären für den Klimawandel? Was genau bedeutet ihr mögliches Herausbrechen aus den Lebenszusammenhängen der Arktis?  Leben wir wirklich noch in Zeiten, in denen diese Fragen ausgerechnet denen, die nach Wegen aus der ökologischen Krise suchen, als unmenschlich erscheinen?

Vielleicht ist das so weil das, was hier als „ureigenste Aufgabe“ der in emanzipatorischer Mission aktiven Linken bezeichnet ist, nämlich der Kampf um „Gerechtigkeit“, sich trotz aller anti-kapitalistischer Rhetorik erst einmal ganz und gar INNERHALB  kapitalistischer Horizonte bewegt.

Die selbst gewählte Beschränkung der eigenen Aufgabenstellung auf die (innerhumane) Gerechtigkeitsfrage  lässt meist wenig Raum für eine Perspektive, die EXPLIZIT auf  ein globales Füreinander zielt, das auf Grundlage eines weltgemeinschaftlichen Nachhaltigkeitsmanagement funktioniert. Wo die wesentlichen Entscheidungen über die zu entwickelnden Produktions- und Produktstandards, -mengen, -orte, -zwecke usw. durch Übereinkommen „der Völker selber“ ermittelt werden. Die Frage, was wachsen oder lieber schrumpfen soll also vor dem Hintergrund gemeinsam (mit) ergründeter und verantworteter Erkenntnisse über die sozialen bzw. ökologischen Voraussetzungen und Wirkungen des Produzierens/Konsumierens gestellt und beantwortet werden kann.

Dies mit möglich zu machen als eigene Herausforderung zu begreifen, ließe hoffenlich auch erkennen, dass eine Menschheit, die dies als ihre Herausforderung begreifen könnte, erst noch hergestellt werden muss.

Vor einer einigermaßen realistische Vorstellung von der Größe dieser Herausforderung für jede Einzelne (jeden Einzelnen), also auch für sich selbst, mag sich jede/r erst einmal schützen wollen. Ihr mutig ins Auge zu sehen könnte aber auch vor der Deklaration falscher Alternativen schützen die das Weiterdenken in fataler Weise blockieren. So wie das in der dem Foster-Vortrag vorangehenden Frage anklingt, ob wir einen Green New Deal brauchen ODER ob weiterreichende Maßnahmen notwenig sein werden. Als ob das eine nicht Voraussetzung für das andere sein könnte bzw. müsste.

Die in dem Vortrag gegebenen Hinweise auf einen direkten Einfluss Marxens auf die naturwissenschaftliche Diskussion im Anschluss an Darwin oder an welchen Stellen in der Geschichte des Kommunismus (bzw. dessen deren Verballhornung) versucht wurde, an Marx ökologische Perspektiven anzuküpfen, machen neugieríg. Zum Beispiel wäre zu fragen, ob entsprechende Bemhüungen in der SU der Chruschtschow-Ära  dokumentiert sind. Zu ergänzen wäre jedenfalls die Gruppe um Radovan Richta, deren Mitglieder wohl als die (marxistischen) Chef-Philosophen des Prager Frühlings gesehen werden können.

JBFs Empfehlung, auf die soziale bzw. ökologishe Wirklichkeit des tatsächlichen Stoffaustausches jenseits der Kaufkraftrealationen zu schauen, kann ich nur voll und ganz unterschreiben. Auch, dass der Blick auf die problematischen Folgen der kapitalistischen Auseinandergerissenseins dieses Stoffaustausches (was mit „ökologischen Bruch“ im Übrigen mehr als unglücklich verdeutscht ist) zu richten wäre (wie auf den Irrsinn der unwiederbringlichen Zerstörung von Lebensgrundlagen für reine Verschwendung). Und vor allem auf die marxsche Perspektive einer rationalen Steuerung dieses Stoffaustausches durch die Vereinigung einer frei assoziierten Menschheit!

Allerdings kann ich auch auch Thomas Fatheuers Einwand grundsätzlich unterschreiben, dass JBF die noch nicht vollständig von Kapitalverhältnissen durchdrungenen Sphären stärker beachten sollte. Die Commons wie sie etwa die Gebiete der Amazonas-Indigenen darstellen!  Allerdings müsste noch sehr viel klarer zwischen Niemandsland und tatsächlichen Bereichen gemeinsamer (wenn auch unterschiedlicher) Verantwortung  unterschieden werden. Die Weltmeere etwa sind  alles andere als Commons. Und die Beurteilung der Green Economy und anderer Erscheinungen (bzw. Begehrlichkeiten in Richtung) eines modernen Ökokapitalismus sollte nicht allzu schematistisch als eine Anti-Inwertsetzungsbewegung  inszeniert werden um hier nicht falsche Fronten aufzumachen.

Siehe dazu auch: https://oekohumanismus.wordpress.com/2013/06/15/einige-bemerkungen-zu-silke-helfrichs-reflexionen-uber-commons-institutionen-recht-und-eigentum/

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